Nach zwölf Jahren härtester Arbeit und den ersten Anzeichen
eines Burnout-Syndroms haben wir es endlich geschafft: Hapag-Lloyd
hat uns eingeladen, das Showprogramm der MS Europa 2 mitzugestalten.
In diesem Blog gewähren wir private und hochexklusive Einblicke
in unser tägliches Leben und Wirken an Bord während unserer Reise
zwischen Valparaiso und Buenos Aires.
„Sieh mal nach, ob Du auch nichts vergessen hast...“
31.01.15: Die Abreise
Drei Programme im Gepäck und die Requisite dazu: Die erste Reisegruppe, die auf die MS Europa 2 ihre eigenen Liegestühle mitbringt.
Wertvoller Reisehinweis #1: Sperrgepäck kostet bei
der Fluglinie Iberia nur 100 Euro, das Einschweißen weitere 10.
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„...lachendes Ziel, lachender Start, und eine herrliche Fahrt“
01.02.15: Die Ankunft
Nach kurzweiligen 23 Flugstunden bereits betreten wir chilenischen Boden in Santiago de Chile. Es folgt eine ebenfalls im Nu vergehende Landpartie durch karg-bergige Gegenden und wir erreichen unseren Bestimmungsort: Die Küstenstadt Valparaiso, in deren Hafen wir an Bord der MS Europa 2 gehen sollen.
Wir haben noch das flüchtige
Vergnügen, die valparaisotische Spitzengastronomie und die für uns
äußerst schwer zu ergründenden chilenischen Geldwechselmodalitäten
kennenzulernen, bis es dann feierlich heißt:
Willkommen an Bord!
Unsere Kreuzfahrt kann beginnen!
Wertvoller Reisehinweis #2: Das Land Chile verbietet die
Einfuhr von Tierischem und Pflanzlichem, peinlich genaue Kontrollen
bei der Einreise verhindern die Kontamination der einheimischen Flora
und Fauna etwa durch Semen y embryones (Samen und Embryonen).
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„…ob man erster Klasse, zweiter Klasse, dritter Klasse fährt ...“
01.02.2015: An Bord
Keine Frage: Hier fährt man nur erster Klasse. Staunend blicken
wir uns um und stellen fest: wir sind auch dabei! Und wer mit dabei
sein will, der muss auch die Sicherheitsübung mitmachen.
Die nächste Überraschung bereitet uns der Entertainment Manager
Peter Joncker:
Da die Akrobatikkünstler, die etatmäßig das
Unterhaltungsprogramm eröffnen sollen, durch die bewegte See des
ersten Reisetages ihr ästhetisches Konzept im wahrsten Sinne des
Wortes über den Haufen geworfen sehen, wird uns kurzfristig die
große Ehre zuteil, den Eröffnungsabend zu gestalten.
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„Wenn die Sonja (bei 5 m hohen Wellen) russisch tanzt…“
02.02.15: Erster Auftritt
Schon beim Gang zum Frühstück werden wir uns des Ernstes der
Lage bewusst: Die Welcome-Show am Abend findet mit uns statt. Und das
bei 5 m Seegang.
Wertvoller Reisehinweis #3: Derjenige, der Gefahr läuft, der
Seekrankheit anheim zu fallen, sperre sich prophylaktisch stundenlang
in ein leeres Theater und probe Heiteres aufs Ernsthafteste und
vergesse dabei nicht, den Flügel festzuschrauben.
Noch sieht alles ruhig aus…
…doch ab 22 Uhr heißt es Showtime im Bauch des Ozeanriesen!
Nach der Show bewahrheitet sich das Wunder: Nicht nur wird die Minibar zweimal am Tag aufgefüllt, der Nachtservice wird auch als Bestandteil der Minibar interpretiert! Sich die Unendlichkeit der Minibar ertrinkend zieht sich das Ensemble auf seine Suiten zurück…
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„und die Rosen duften süß und schwer…“
03.02.15: Puerto Montt
In die Rosenstadt Puerto Varas wollen wir beim ersten Landgang
aufbrechen, um dort die chilenische Seenplatte am Fuße der Vulkane
Osorno und Calbuco zu genießen.
Während Marc, unser zweiter Tenor, unter der Leitung von Senior Bike Guide Hans Kienle
Chile auf dem Drahtesel erobert, scheitert der Rest des Ensembles am
Versuch, mit dem Taxi in die Rosenstadt vorzudringen.
Wertvoller Reisehinweis #4: Der als europäischer Tourist
erkennbare Tourist sollte bei Fahrtgeldverhandlungen mit
ortsansässigen Chauffeuren hellhörig werden, wenn eine Landpartie
als kostenfrei angepriesen wird. Bei Nachverhandlungen am Straßenrand
fehlen stichhaltige Argumente, zumal, wenn rote Expeditionsjacken den
vorübergehenden Wohnsitz EUROPA 2 nicht verleugnen lassen.
Unverrichteter Dinge zurück an Bord geht’s auf die Poolparty…
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„Ich wollt ich wär ein Hahn, dann würde nichts getan…“
04.02.15: Auf See
Entspannung macht sich breit beim Pianisten, während der Tenor I seiner Tangosucht nachgeht (mit einer Musicalsängerin…) und der Bariton die Seefahrt in vollen Zügen genießt.
Am „Tag der offenen Brücke“ werden wir von Kapitän Christian
van Zwamen in die Geheimnisse der Seefahrt eingeweiht.
Nach diesem Kursus stünde nun auch Kommodore Peter Cismarescu seinen Mann auf der Brücke.
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„kein Auto, keine Chaussee, und niemand in unsrer Näh‘“
05.02.15: Unterwegs zum Gletscher Pio XI
Das Wetter ist wechselhaft, die Aussicht beständig atemberaubend…
Vor der Naturgewalt des Pio-XI-(= 11, span., gesprochen
„ontze“)-Gletschers, dem größten Gletscher des Südhalbkugel
(größer als Berlin!), bleiben wir sprachlos. Mit Glühwein und
Navigationsoffizierin Wiebke E. entdecken wir unsere Sprache wieder,
während Gletschereis herangeschafft wird. Die exklusivstmögliche
Art und Weise, die abendlichen Drinks zu kühlen…
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„...still, ohne Sorgen, friedlich geborgen...“
06.02.15: Auf See mit Kurs auf Punta Arenas
„Ob Bass, ob Mensch, ob Einhorn-Tier,
Ein jede Seel‘ entspannt sich hier.
Der weiße Flügel steht bereit
Für konzentrierte Probenzeit.
Zufrieden jauchzet groß und klein
Hier ist der Pool, hier spring ich rein.“
Aus: J.C.G. und M.C.: Reiselyrik (2015)
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„Wenn ich vergnügt bin, muss ich singen…“
07.02.15: Punta Arenas und zweiter Auftritt
Nach einer atemberaubenden einstündigen Wanderung im windigen „Reserva Nacional Magallanes“ ziehen wir uns zurück, um uns auf die abendliche Aufführung unseres Programms „Die Comedian Harmonists sangen…“ vorzubereiten. Diesmal ohne starken Wellengang, stattdessen mit einem gespannt zuhörenden Publikum und einer nur unwesentlich am akustischen Geschehen teilnehmenden Ankerkette.
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„Auf die Dauer, lieber Schatz, ist mein Herz kein Ankerplatz“
08. und 09.02.15: Beagle-Kanal, Garibaldi-Gletscher und Ushuaia
Vor grandiosem Panorama im Beagle-Kanal gestalten wir den Gottesdienst musikalisch mit. Der Bordgeistliche stellt fest, dass zum ersten Mal die Gotteslobe nicht ausreichen. Unser russisches Lied „Podmoskovnye vechera“ wird übrigens als hebräisches Lied identifiziert; es passe deshalb besonders gut zu einem Gottesdienst…
Begleitet vom Seelöwengebrüll schippern wir durch die „glaciers
alley“ („die schauen ja alle gleich aus!“) gen Ushuaia, der
südlichsten argentinischen Stadt. Nächtliches Ankern gibt uns die
Möglichkeit, die Verhältnisse an Land ausführlich zu erkunden.
Tags darauf wird dann endlich einmal ausgeschlafen.
Wertvoller Reisehinweis #5: Es empfiehlt sich dringend, in
südlichsten argentinischen Städten ausreichend einheimische
Barschaft mitzuführen. Der Wechselkurs der Kneipiers vor Ort
entwertet den US-Dollar beträchtlich und in der Folge auch die
Freude am Biergenuss.
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„Irgendwo auf der Welt…
10.02.15: Kap Hoorn und „Talk über den Wellen“
… gibt’s ein kleines bisschen Glück“, allerdings nicht am Kap Hoorn (span. Cabo de Hornos), wo allein im Jahr 1905 53 von 130 passierenden Großsegelschiffen ihren Untergang fanden. Angesichts eines solch geschichtsträchtigen Ortes bleibt nur andächtiges Schweigen – das am Nachmittag umso fulminanter gebrochen wird: Im „Talk über den Wellen“ mit TV-Journalistin Inka Schneider trällern die Nostalphoniker ein wenig und geben Auskunft zu Werdegang und musikalischen Hintergründen des Ensembles.
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„…was kann uns das Leben noch schön’res geben als einen lust’gen Tag“
11.-12.02.15: Entspannung auf See
Ob mit der gischtenden See oder den reizenden Damen an Bord.
Entspannung macht sich breit…
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„Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“
13.02.15: Puerto Madryn
Es ist (wieder) Hochsommer! Im beschaulichen Seefahrerstädtchen
Puerto Madryn, das hauptsächlich von der (chinesischen?)
Aluminiumproduktion lebt, gehen wir an Land. Es wird die ganze Nacht
dezent gefeiert.
Wertvoller Reisehinweis #6: Der geneigte Tourist sollte, wenn
er denn des Abends Einkehr findet in der gleichen Lokalität wie die
Crew eines Kreuzfahrtschiffes, gewärtig sein, dass die Biervorräte
kurz nach Mitternacht restlos erschöpft sein werden.
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„Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“
14.-15.02.15: Valentinstag und letzter Auftritt
Am Valentinstag darf natürlich ein Auftritt
der Nostalphoniker nicht fehlen – welcher Rahmen eignet sich dafür
besser als der Bordgottesdienst. Ein letztes Mal trotzen wir der
steifen Brise auf Deck, bis die nunmehr zweite Poolparty ruft -
diesmal mit schlagkräftiger Beteiligung
der Passagierssambatrommelgruppe!
Allmählich macht sich das Bewusstsein bemerkbar, dass auch diese Reise für uns zu Ende geht. In unserem letzten Auftritt verarbeiten wir deshalb noch einmal die Erlebnisse unseres Törns, inklusive der kompetenten Ansagen für unsere internationalen Gäste: „Hello, sis is your pianoplajer spiking wis samm informeischens concörning our next song…“
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„Lebewohl, gute Reise“
ab 16.02.15: Buenos Aires
Nach und nach verabschieden sich die Ensemblemitglieder Richtung
Heimat. Ein paar unbeschreibliche Tage in Buenos Aires bei
wunderbaren Menschen machen die Reise im besten Sinne: unvergesslich.
Finaler wertvoller Reisehinweis: Selbst in den Straßen
vermeintlich sicherer Stadtviertel von Buenos Aires ist es ratsam,
möglichst wenig Gepäck und Utensilien mit sich zu führen. Auf
Unauffälligkeit des äußeren Erscheinungsbildes ist zu achten. Der
Strohhut an sich ist nicht geeignet, diese Unauffälligkeit
herzustellen. Ein zu Beginn des Aufenthaltes in der argentinischen
Hauptstadt beobachteter bewaffneter Raubüberfall kann diesen
Hinweisen den nötigen Nachdruck verleihen.